Pistenhelden in Arosa Lenzerheide

Für die diesjährige SNOWTIMES Arosa Lenzerheide Ausgabe haben wir ein exklusives Interview mit den beiden Pisten- und Rettungschefs von Arosa und Lenzerheide Bergbahnen geführt. Was alles hinter den Kulissen im Skigebiet Arosa Lenzerheide läuft und wie viel Arbeit dahintersteckt, damit wir Gäste unseren Spass auf der Piste haben, verraten uns Walter Tschanz (seit 20 Jahren Pisten- und Rettungschef bei Arosa Bergbahnen) und Romano Meier (seit 15 Jahren Pisten- und Rettungschef bei Lenzerheide Bergbahnen).

Das Thema Schnee und Schneemangel war in den letzten Jahren immer wieder eine umstrittene Diskussion. Mit der technischen Beschneiung ist es zum Glück möglich, grosse Teile der Pisten zu präparieren, sodass Wintersportlerinnen und Wintersportler auch in Jahren, in denen weniger Schnee fällt, auf ihre Kosten kommen und der Skiurlaub nach wie vor viel Freude bereitet. Wie hat sich denn die technische Beschneiung über die letzten Jahre entwickelt?

Walter Tschanz: In den 80er Jahren hat Savognin mit der technischen Beschneiung gestartet. 1983 hat das Südtirol mit Schneekanonen aus den USA begonnen und diese schliesslich selbst weiterentwickelt. Punktuell wird also schon lange beschneit, auch in Arosa und Lenzerheide. Früher waren es einfach kleinere Abschnitte, die technisch beschneit wurden und heute wird flächendeckend beschneit. Und wenn wir gerade beim Thema Fläche sind: im Südtirol werden heute 92-95% der Pisten beschneit, in Österreich sind es über 80% und in der Schweiz liegen wir im Schnitt bei 50%. In Arosa werden ca. 70% der Pisten technisch beschneit und in Lenzerheide liegen wir bei gut 60%.

Romano Meier: Früher mussten wir die Anlagen händisch bedienen, heute sind sie vollautomatisch und alles kann über das Smartphone gesteuert werden. Man muss also nicht immer vor Ort sein, um die Anlage zu bedienen, das vereinfacht den Prozess deutlich. 

Walter Tschanz: Über die Jahre sind die Anlagen auch effizienter geworden und wir können bereits bei Randtemperaturen beschneien, wenn das Verhältnis zwischen Luftfeuchtigkeit und Temperatur, im Fachjargon «Feuchtkugel», stimmt. Heute sind Beschneiungen bei bereits -2 Grad möglich, wo wir früher erst bei -6 Grad starten konnten. 

Romano Meier (links) und Walter Tschanz im Gespräch fürs SNOWTIMES Arosa Lenzerheide Magazin

Wieso wird in Arosa mehr technisch beschneit als in Lenzerheide? Arosa liegt ja höher und da müsste es doch mehr Schnee geben?

Walter Tschanz: Wenn es im Dezember kein Schnee gibt, dann gibt es kein Weihnachtsgeschäft und das betrifft dann die ganze Destination. Die Beschneiungsanlage ist systemrelevant, ohne Schneeanlage gibt es keinen Schnee und ohne Schnee keine Gäste. Das betrifft alle Leistungsträger von Hotels über Restaurants bis hin zu den lokalen Geschäften.

Romano Meier: Auf Seite Lenzerheide müssen wir uns mehr priorisieren, weil wir mehr Pistenkilometer haben als Arosa. Zudem haben wir zwei Talseiten, was das Ganze auch nochmals herausfordernder macht. Der Fokus liegt bei uns auf den verschiedenen Talabfahrten sowie auf den Verbindungspisten. Klimatisch ist Arosa im Vorteil: sie sind höher gelegen. Arosa kann also im Vorwinter früher mit der technischen Beschneiung starten. Für uns ist das aber kein Nachteil, weil wir ja zusammenschliessen und die Verbindungspisten offen sind und wir somit den Gästen ein schönes Angebot bieten können, auch wenn bei uns noch weniger Schnee liegt.

«Die Beschneiungsanlage ist systemrelevant, ohne Schneeanlage gibt es keinen Schnee und ohne Schnee keine Gäste.» 

– Walter Tschanz

Wann wird mit der technischen Beschneiung gestartet? 

Walter Tschanz: In Arosa starten wir mit der Beschneiung wenn möglich Mitte Oktober. Die Voraussetzung dafür ist, dass die Temperatur und Feuchtigkeit vier bis fünf Nächte stimmen muss. Wenn das gegeben ist, starten wir mit der Beschneiung im Gebiet Hörnli.

Romano Meier: Wenn es die Verhältnisse zulassen, starten wir auf der Lenzerheide wie in Arosa im Oktober.

Walter Tschanz: Wir versuchen das Hörnli so schnell wie möglich zu öffnen, damit wir das «Novemberhoch» durchführen können. Das Ziel ist dann, dass bis Weihnachten das gesamte Skigebiet geöffnet werden kann. Das Wichtigste sind aber klar die Verbindungspisten, sodass wir die Gäste vom Hörnli zum Weisshorn bringen. 

Romano Meier: Es geht auch darum, dass wir genug Platz haben, damit sich die Wintersportlerinnen und Wintersportler verteilen, ansonsten sind die Pisten schneller abgenutzt, wenn wir die Frequenzen nicht verteilen können. In Arosa Lenzerheide sind auch die Talabfahrten technisch beschneit, die Gäste können somit überall ins Tal fahren, bis Ende Saison. 

Piz Scalottas Restaurant

Woher kommt das Wasser für die technische Beschneiung und wie viel Wasser wird gebraucht?

Walter Tschanz: Das Wasser kommt aus Über- und Zuläufen des Gemeindereservoirs, welches von der Gemeinde nicht gebraucht und in den Speichersee gepumpt wird. In diesem Sinne leihen wir das Wasser für den Winter nur aus, im Frühling fliesst es wieder zurück ins Tal. Insgesamt brauchen wir auf Seite Arosa für die technische Beschneiung der Pisten ca. 550 000 Kubikliter Wasser.

Romano Meier: Auf Seiten Lenzerheide ist es gleich mit dem Wasser. Wir brauchen allerdings etwas mehr, ca. 1 Million Kubikliter pro Saison. 

Walter Tschanz: Noch als Ergänzung und damit man sich auch die Kosten vorstellen kann: Jeder vierte Franken, den die Bergbahnen verdienen, geht in den Pisten- und Rettungsdienst, was die Beschneiung, den Rettungsdienst, Lawinensprengung, Pistenpräparation sowie Sommerpräparation umfasst. Der Schnee ist das Hauptprodukt und kostet uns auf Seite Arosa pro Saison etwa 6 Millionen Franken. 

Die Pisten werden täglich mehrmals vom Pistendienst kontrolliert

Was sind die grössten Herausforderungen in Ihrem Beruf während der Skisaison?

Walter Tschanz: Wenn es Neuschnee gibt, ist die grösste Herausforderung, dass am Morgen die Pisten um 8.20 Uhr bereit sind und alles präpariert und gesichert ist.

Romano Meier: Bei viel Wind oder starkem Schneefall ist eine der grössten Herausforderungen abzuschätzen, ob die Pisten geöffnet bleiben oder geschlossen werden müssen. Es darf nie vorkommen, dass eine Lawine auf die Piste geht und Gefahrenzonen müssen immer markiert und gesichert werden. Am Tag gibt es mehrere Kontrollen, ob alle Markierungen stehen und nicht z.B. vom Wind verweht wurden. Das ist schon eine der grössten Herausforderungen, die Sicherheit für die Wintersportlerinnen und Wintersportler auf den Pisten zu gewährleisten.

«Bei viel Wind oder starkem Schneefall ist eine der grössten Herausforderungen abzuschätzen, ob die Pisten geöffnet bleiben oder geschlossen werden müssen.»

Romano Meier

Wie viele Pisten auf Seiten Arosa und Seiten Lenzerheide sind von Lawinen gefährdet?

Romano Meier: Auf der Lenzerheide sind ca. 15 Pistenabschnitte gefährdet.

Walter Tschanz: Bei uns in Arosa sind es z.B. die Toblerkante vom Carmennaberg, die Traverse vom Hörnli zum Plattenhorn und es gibt auch Abschnitte beim Weisshorn. Hier sprechen wir aber immer von Abschnitten, nicht von der gesamten Piste. Und noch eine wichtige Ergänzung: wir sichern nur die Hänge, die für die Pisten gefährdet sind.

Romano Meier: Im freien Gelände sichern wir nichts und es wird auch nichts markiert, die Leute, die abseits der Pisten fahren, sind selbst verantwortlich. 

Wie müssen Personen vorgehen, wenn sie einen Unfall auf der Piste melden? 

(Tschanz und Meier)

  1. Den Patienten und sich selbst schützen, indem man die Piste mit den gekreuzten Ski sperrt. Im besten Fall eine Drittperson beauftragen, um die Piste zu sichern und kontrollieren, dass das korrekt gemacht wird. 
  2. Helfen nach bestem Wissen und Gewissen.
  3. Den Rettungsdienst alarmieren und was ganz wichtig ist, der, der alarmiert, bleibt an Ort und Stelle und hat das Telefon eingeschaltet.

Romano Meier: Es gab tatsächlich Fälle, wo der Alarmierende danach weitergefahren ist. Das ist wenig hilfreich für den Rettungsdienst.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit der Rega und wann wird diese gerufen? 

Romano Meier: Der Ort, an dem der Unfall passiert, hat sicherlich einen grossen Einfluss. Es kann sein, dass wir mit dem Rettungsschlitten nur unter schwierigen Umständen dahin kommen oder dass die Abfahrt für den Fahrer und den Patienten mit dem Schlitten zu gefährlich wäre. Dann kommt es auch auf die Stärke der Schmerzen des Patienten an. Bei schweren Verletzungen sowie inneren- und Kopfverletzungen kommt immer die Rega. Die Zusammenarbeit mit der Rega ist tadellos. Wir haben einen sehr guten Austausch.

Walter Tschanz: Was bei der Rettung auch noch wichtig zu erwähnen ist, dass der Patrouilleur «nur» mit einem Rettungsrucksack ausgerüstet und nicht mit einem Rettungswagen zu vergleichen ist. Der Job vom Pistenrettungsdienst ist besonders anspruchsvoll, da in kürzester Zeit eine Entscheidung getroffen werden muss, was mit der verunfallten Person geschieht. Hinzu kommen die kalten Temperaturen, was zu einem schnellen Auskühlen eines verletzten Körpers führen kann.

Romano Meier: Der Patrouilleur muss im Vergleich zu einem Notarzt, der schnell eine Schmerztherapie durchführen kann, viel mehr mit der Betreuung arbeiten sowie mit Immobilisierung und Wärmeerhalt. Durch die persönliche Betreuung entsteht auch eine viel stärkere Bindung zum Patienten.

Was für eine Ausbildung braucht es für den Rettungsdienst?

Romano Meier: Für den Rettungsdienst gibt es insgesamt vier Kurse von Seilbahnen Schweiz. Die wichtigste Voraussetzung ist aber, dass man gut Skifahren kann (beide lachen). Das ist für die Bewerbenden nicht immer selbstverständlich. Der erste Kurs für den Patrouilleur A beinhaltet folgende Themen: Medizinische Versorgung von Verletzten auf der Piste, Abtransport von Verletzten, Pistenkontrolle und Verkehrssicherung. Im Folgejahr wird der B-Kurs absolviert und dieser besteht zusätzlich aus den Aufgaben von erster Hilfe bei Lawinenrettung und der Beurteilung von Lawinensituationen. Auf diesen Kurs folgt dann der Lawinensprengkurs. Nach 4 Jahren Berufserfahrung gibt es die Möglichkeit den C-Kurs zu absolvieren, das wäre dann die Berufsausbildung eidg. Pisten- und Rettungsfachmann.

Malin Müller, Chefredaktorin vom SNOWTIMES Arosa Lenzerheide Magazin

Wie sieht das Thema Fluktuation aus?

Walter Tschanz: Das Ziel ist immer eine längerfristige Zusammenarbeit. Es ist aber wie in jedem Beruf eine Herausforderung und es wird viel in die Mitarbeiter investiert. Die Fluktuation wird auch dadurch beeinflusst, auf Seite Arosa nicht allen Mitarbeitenden einen Job im Sommer – und dadurch eine Jahresstelle – anbieten zu können. Auf Seite Lenzerheide ist das mit dem BikeKingdom attraktiver.

Romano Meier: Genau, wir können unseren Mitarbeitenden eigentlich einen Jahresvertrag anbieten. Die Fluktuation hat sich über die letzten Jahre aber schon verändert und diese ist höher als früher. Alles ist viel schnelllebiger geworden. Was auch auffällt, es werden fast keine Fachpersonen mehr ausgebildet, also potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger für uns. 

Walter Tschanz: Es will keiner mehr Verantwortung übernehmen. 

Romano Meier: Es sind zwei Faktoren: die Angst vor Verantwortung und die Flexibilität. Wir müssen immer erreichbar sein. Viele sind dazu nicht mehr bereit.

Ich kann mir vorstellen, dass Sie und Ihre Kollegen viele tragische Vorfälle miterleben. Wie verarbeiten Sie diese Ereignisse?

Romano Meier: Im regionalen Weiterbildungskurs werden Themen wie Angehörigenbetreuung und die Nachbearbeitung mit Kollegen behandelt. Wenn bei uns im Gebiet ein tragischer Fall passiert, mache ich nach dem Fall ein kurzes Briefing und rede am nächsten Tag nochmals mit dem Team oder den Personen, die involviert waren. Nach einem Monat gibt es ein weiteres Gespräch und dann noch eines nach einem Jahr. Unsere Mitarbeitenden wissen auch, dass sie immer auf uns zukommen können, wenn etwas ist. Zudem gibt es auch professionelle Hilfe, wenn jemand diese braucht. Walter und ich sind in der glücklichen Lage, dass wir die Ereignisse bis jetzt immer gut verarbeiten konnten. Das ist aber nicht selbstverständlich. 

Walter Tschanz: Wir hatten einmal einen Fall, da ist ein Patient an einem Herzinfarkt einem Patrouilleur weggestorben. Das ging ihm sehr nahe und es wurde immer wieder darüber gesprochen. Im selben Winter hatte er nochmals einen ähnlichen Einsatz, wieder eine bewusstlose Person und die hat er retten können. Das hat ihm sehr geholfen, den anderen Fall zu verarbeiten, weil es ihm dieses Mal gelungen ist, ein Leben zu retten. 

Danke, lieber Romano und lieber Walter für dieses sehr spannende Interview und für die vielen Einblicke hinter die Kulis­sen des Pisten- und Rettungs­dienstes Arosa Lenzerheide.

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