Longevity steht nicht für ewiges Leben, sondern für ein aktives, gesundes Altwerden. Statt Pillenwahn und Extremroutinen geht es um präventive Medizin, fundierte Wissenschaft – und darum, die eigene Gesundheit in die Hand zu nehmen. Wir haben mit Dr. Natalia Trpchevska, Medical & Scientific Director von AYUN in Zürich, gesprochen – und spannende Einblicke in ein Thema gewonnen, das uns in Zukunft noch oft begegnen wird.
In den letzten Jahren begegnet uns der Begriff «Longevity» immer häufiger – ob in der Medizin, in den Medien oder in der Start-up-Welt. Woran liegt Ihrer Meinung nach dieser zunehmende Hype rund um das Thema Langlebigkeit?
Ja, Longevity ist definitiv zu einem Modewort geworden. Aber ich denke, das Interesse dahinter ist sehr real. Statistiken zeigen, dass Menschen zwar länger leben, aber nicht unbedingt gesünder. Viele erkennen jetzt, dass es nicht nur darum geht, möglichst alt zu werden, sondern vor allem darum, diese Jahre auch gesund und mit Lebensqualität zu füllen – in der Medizin spricht man hier von der «Healthspan».
Echte Langlebigkeit sollte sich genau darauf konzentrieren. Leider wird der Begriff oft auch mit Biohacking oder teuren Trends in Verbindung gebracht. Aber wir müssen ihn wieder auf seine medizinischen Wurzeln zurückführen: ein systematischer, evidenzbasierter Ansatz, um länger gesund zu leben.
Der Begriff Longevity wird oft sehr unterschiedlich verwendet. Welche Gefahren sehen Sie darin, dass der Begriff falsch interpretiert oder gar abschreckend wirkt – gerade für Menschen wie mich, die damit bisher wenig Berührung hatten?
Viele verbinden Longevity mit ewigem Leben oder Science-Fiction. Tatsächlich geht es aber um die ganzheitliche Optimierung von Gesundheit – körperlich wie mental. Leider wird der Begriff manchmal durch mediale Inszenierungen verzerrt – etwa durch Persönlichkeiten wie Bryan Johnson. Er ist Multimillionär, hat sogar eine Netflix-Serie über Longevity produziert und nimmt angeblich über 100 Pillen am Tag. Wir finden seinen Ansatz in Teilen spannend – zum Beispiel seine Erfahrungen mit HBOT –, aber er ist ein Extremfall, der Longevity zu seinem Lebensprojekt gemacht hat. Genau darin liegt auch die Gefahr: Viele denken dadurch, Longevity sei nur etwas für Reiche oder Besessene.

Was sind heute aus medizinischer Sicht die zentralen Einflussfaktoren auf ein langes und gesundes Leben?
Die Datenlage ist hier sehr eindeutig. Die wichtigsten Einflussfaktoren darauf, gesund alt zu werden, sind: eine stabile Stoffwechselgesundheit, die Kontrolle von chronischen Entzündungen, eine gute Mitochondrienfunktion, hormonelles Gleichgewicht und psychische Resilienz. Natürlich spielen Lebensstilentscheidungen eine entscheidende Rolle. Aber wir sind heute in der Lage, weit über allgemeine Ratschläge hinauszugehen. Wir können sehr präzise messen, wie diese biologischen Mechanismen funktionieren – noch bevor überhaupt eine Krankheit entsteht.
Welche Rolle spielen dabei die Gene? Und inwieweit kann man genetische Veranlagungen durch den Lebensstil ausgleichen?
Das ist tatsächlich mein Lieblingsthema – als Genetikerin bin ich da vielleicht etwas voreingenommen. Aber um es einfach auszudrücken: Gene laden die Waffe, aber der Lebensstil zieht den Abzug. Die Wissenschaft zeigt, dass unsere Gene nur etwa 20 % unseres Alterungspotenzials bestimmen. Wie sich diese Gene tatsächlich auswirken, hängt aber stark von unserer Umwelt, unseren Gewohnheiten und unserer inneren Biologie ab. Zum Beispiel: Wer eine genetische Veranlagung zu chronischen Entzündungen oder Entgiftungsproblemen hat, kann trotzdem lange und gesund leben – wenn er weiss, worauf er achten muss. Die richtige Ernährung, gezielte Nahrungsergänzung, die passende Bewegung – all das kann helfen. Genau hier liegt die grosse Stärke der personalisierten Medizin, die für uns bei AYUN im Zentrum steht.

Welche Tipps zur Förderung von Langlebigkeit halten Sie wissenschaftlich für wirklich fundiert – und welche eher für fragwürdig?
Es gibt heute viele gut erforschte Massnahmen zur Förderung von Langlebigkeit – etwa Krafttraining, gesunder Schlaf, stabile Blutzuckerwerte und sinnvolle Nahrungsergänzung. Auch Methoden wie Fasten, Kältetherapie oder Wearables zeigen viel Potenzial, müssen aber individuell angepasst werden. Skeptisch bin ich bei Tipps für ein langes Leben, die grosse Versprechen machen, ohne wissenschaftliche Grundlage oder persönliche Diagnostik. Solche Methoden beruhen eher auf Hoffnung als auf fundierten Daten.
Sie haben es schon angesprochen: Wie beurteilen Sie Methoden wie Intervallfasten, Kältetherapie oder Nahrungsergänzungsmittel?
Fasten ist ein sehr spannendes und auch gut erforschtes Werkzeug. Es kann helfen, den Stoffwechsel flexibler zu machen und Entzündungen zu reduzieren. Aber auch hier gilt: Es ist nicht für jeden geeignet. Ein Beispiel wären Frauen in der Perimenopause – da ist Fasten eventuell nicht der beste Ansatz, wenn es um Gewichtsreduktion geht. Es braucht also immer einen personalisierten, differenzierten Blick aufs gesunde Altwerden. Kältetherapie ist ebenfalls hilfreich, vor allem für Regeneration und Stressabbau. Was Nahrungsergänzungsmittel betrifft: Sie können sehr effektiv sein – vorausgesetzt, sie basieren auf Daten, etwa aus Laborwerten oder genetischen Analysen. Dann kann man gezielt auf individuelle Bedürfnisse eingehen. Einfach ins Blaue hinein zu supplementieren, ist oft ineffektiv.

Wenn es tatsächlich möglich wird, signifikant länger zu leben –
was bedeutet das gesellschaftlich? Sind wir darauf vorbereitet?
Sehr spannende Frage. Ich denke da oft drüber nach, gerade im Hinblick auf die Vorstellung, dass wir alle 150 Jahre alt werden könnten. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass wir als Gesellschaft oder auch wirtschaftlich wirklich darauf vorbereitet sind. Unser aktuelles Gesundheitssystem ist noch immer stark krankheitsorientiert – nicht präventionsorientiert. Aber man sieht, dass viele Menschen aktiver älter werden, sich selbst informieren, Verantwortung übernehmen. Das gibt mir Hoffnung, dass wir in die richtige Richtung gehen.
Sehen Sie auch Gerechtigkeitsprobleme – also wer sich überhaupt Langlebigkeitsmassnahmen leisten kann?
Ja, das ist leider ein ernstes Thema. Viele dieser fortschrittlichen Massnahmen für ein langes Leben sind im Moment sehr teuer und werden nicht von den Krankenkassen übernommen. Sie sind also nicht im regulären Gesundheitssystem verankert. Genau deshalb wollen wir bei AYUN unsere Leistungen so zugänglich wie möglich machen. Die grosse Herausforderung der Zukunft wird nicht die Wissenschaft sein, sondern die Frage, wie man das Ganze in hoher Qualität für viele Menschen verfügbar macht. Aber ich bin optimistisch – allein wenn man sieht, wie sich der Bereich Genetik entwickelt hat. Vor zehn Jahren hat eine Genom-Sequenzierung noch Millionen gekostet, heute ist sie erschwinglich. Ich glaube, wir werden in der Langlebigkeitsmedizin eine ähnliche Entwicklung erleben. In der Schweiz werden solche Leistungen zwar nicht von der Grundversicherung getragen, jedoch decken viele Zusatzversicherungen einen Teil der Kosten – je nach Anbieter und Police bis zu CHF 1500 pro Jahr. AYUN soll nicht exklusiv sein, sondern möglichst vielen Menschen offenstehen. Natürlich bleiben gewisse Labor- und Personalkosten bestehen, aber wir tun unser Bestes, um es für mehr Menschen erschwinglich zu machen.
Wie integrieren Sie persönlich das Thema Longevity in Ihren Alltag? Gibt es Gewohnheiten oder Tipps, die Sie besonders überzeugt haben?
Ich verfolge im Grunde dieselbe Philosophie, die wir auch unseren Patient:innen empfehlen: Wir testen alles. Ich trage Wearables, einen Oura-Ring und ich kontrolliere regelmässig meine Biomarker. Ich unterstütze ganz gezielt meinen zirkadianen Rhythmus. Zudem habe ich auch viele genetische Tests gemacht, um zu verstehen, wo meine biologischen Schwachstellen liegen. Dadurch weiss ich genau, wie ich mein Leben darauf abstimmen kann – was ich essen sollte, wann ich essen sollte, wann ich trainieren sollte und wie intensiv. Was ich dabei vor allem gelernt habe, ist, flexibel zu bleiben. Es geht nicht darum, perfekte Gesundheit zu erreichen oder besonders diszipliniert zu sein. Wenn man über längere Zeit mit all diesen Daten arbeitet, entwickelt man ein Verständnis für die eigene biologische Intelligenz und lernt, wie man mit ihr zusammenarbeitet.
«Was Nahrungsergänzungsmittel betrifft: Sie können sehr effektiv sein – vorausgesetzt, sie basieren auf Daten, etwa aus Laborwerten oder genetischen Analysen. Einfach ins Blaue hinein zu supplementieren,
ist oft ineffektiv.»
– Dr. Natalia Trpchevska

Kann man bei den Wearables nicht auch den Blick für das Wesentliche verlieren und sich zu sehr auf die Zahlen und Daten fixieren, was wiederum Stress und Druck auslöst?
Genau. Ich kenne viele Leute, die total fixiert sind auf die Zahlen, die ihnen die Apps liefern. Für mich persönlich ist der beste Ansatz, sich nicht an einer bestimmten Zahl festzubeissen, sondern die Daten in den Alltag zu integrieren. Ich zum Beispiel liebe es, meinen Schlaf zu tracken. Daraus kann ich sehr viel über mein Verhalten am Vortag ablesen – wann habe ich gegessen, warum war mein Schlaf heute schlecht? Oder auch: Ich fühle mich super, sehe aber, dass ich viel Tiefschlaf und wenig REM-Schlaf hatte – das zeigt mir, dass ich an meiner Schlafarchitektur noch etwas verbessern kann. Es geht also weniger darum, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, sondern vielmehr um das Verständnis: Was sagt mir mein Körper heute? Ich verstehe, dass Daten auch Stress verursachen können. Aber wenn man die Perspektive wechselt und die Daten nicht als Diktat, sondern als Hilfe zur Selbsterkenntnis sieht, wird alles einfacher.
Viele Menschen fragen sich: Warum sollte ich einen Longevity-Check machen? Was bringt das konkret – etwa für jemanden Anfang 30, mit 45 oder mit 65?
Ich finde, das Wichtigste ist, sich klarzumachen: Früherkennung ist alles. Und in jedem Alter gibt es gute Gründe, so einen Check zu machen. Wenn du zum Beispiel 35 bist, hast du noch genug Zeit, deine Gesundheitsrisiken aktiv zu beeinflussen – und du kannst dir schon jetzt eine Basislinie schaffen, um lange gesund zu leben. So ein Check hilft, kleine Dysbalancen zu erkennen, bevor sie zu echten Problemen werden. Mit 45 etwa geht es dann auch um kognitive Gesundheit und hormonelle Veränderungen – besonders bei Frauen. Und mit 65 liegt der Fokus für ein gesundes Altwerden oft auf Muskel- und Knochenerhalt sowie der Selbstständigkeit. Die Checks dienen nicht nur der Krankheitsdiagnose, sondern der strategischen Lebensplanung.

Wie könnte ich denn zum Beispiel meine Eltern überzeugen, einen Longevity-Check-up bei AYUN zu machen? Dass man sich für ein langes Leben viel bewegen und gesund ernähren sollte, wissen wir ja alle.
Das ist ein Klassiker! Aber es gibt spannende Studien – etwa zum Krafttraining – die zeigen, dass selbst Menschen über 65 noch enorme gesundheitliche Gewinne erzielen, wenn sie nur ein- bis zweimal pro Woche gezielt trainieren. Ihre Fortschritte sind oft sogar grösser als bei Jüngeren, die schon länger dabei sind. Ich denke, hier geht es vor allem um einen Perspektivwechsel: Man sollte sie fragen, warum sie lange gesund bleiben wollen – zum Beispiel, um mit den Enkeln zu spielen, zu reisen, Treppen steigen zu können. Genau dafür lohnt sich der Langlebigkeits-Check: um massgeschneiderte Empfehlungen zu bekommen – zu Training, Ernährung, Mikronährstoffen und Stoffwechsel.
Was glauben Sie: Wie wird das Thema Longevity in zehn Jahren aussehen – medizinisch, gesellschaftlich und individuell?
In der Medizin wird es sicher viel stärker integriert sein – datenbasiert, KI-unterstützt und vor allem: hochgradig personalisiert. Im Idealfall wird dein Hausarzt auch dein Longevity-Experte sein, der dich wirklich kennt und auf dieser Basis deine Gesundheit begleitet. Gesellschaftlich wird es einen Umbruch brauchen – wir müssen das Konzept Alter neu definieren und das Stigma abbauen. Es geht nicht darum, ewig jung zu sein, sondern erfüllt und gesund alt zu werden.
5 einfache Tipps für ein langes Leben, die nichts kosten – aber viel bringen:
Okay, interessante Frage! Ich fange mal bei der – aus meiner Sicht – am wenigsten wichtigen an. Platz
fünf: Kälte- und Hitzetherapie. Das ist tatsächlich wissenschaftlich gut belegt – insbesondere für die Gefässgesundheit. Aber auch Organe profitieren davon. Der Wechsel zwischen heiss und kalt aktiviert ein sehr altes System in unserem Körper – die Thermoregulation – das evolutionär gesehen uralt ist. Es reguliert Hormone, steuert den zirkadianen Rhythmus und verbessert unser Wohlbefinden sowie unsere Gesundheit auf ganz grundlegender Ebene. Platz vier: Krafttraining. Die Datenlage dazu ist sehr überzeugend. Ich glaube, wenn es eine Möglichkeit gäbe, Sport als Pille einzunehmen, würden es alle tun. Aber der Fakt, dass man tatsächlich rausgehen, ins Fitnessstudio gehen und etwas tun muss – das ist bereits ein Teil des Nutzens, denn man muss eine gewisse Überwindung leisten. Krafttraining ist ausserdem sehr effektiv darin, Muskelmasse zu erhalten und aufzubauen – und Muskeln gelten mittlerweile als das «Organ der Langlebigkeit», weil unser gesamter Stoffwechsel und Gesundheitszustand im Grunde davon abhängt, wie wir unsere Muskeln nutzen. Platz drei: Fasten und damit meine ich zeitlich eingeschränktes Essen. Es geht nicht darum, sich an Zahlen festzubeissen, wie viele Kalorien man zu sich nimmt oder wann genau man essen darf oder nicht. Der wichtigste Punkt ist: Iss einfach nur dann, wenn es draussen hell ist. Das ist die einzige Regel, die man braucht – iss im Einklang mit der Sonne, das reicht völlig aus. Platz zwei: tägliche Spaziergänge. Diese rhythmischen, niedrigintensiven Bewegungen, die man über längere Zeit macht, sind sehr vorteilhaft für die mentale Belastbarkeit, aber auch für Gleichgewicht, Stabilität, Kraft – also alles Dinge, die im Alter immer wichtiger werden. Platz eins: der Schlaf. Schlaf ist ein sehr unterschätztes Mittel für ein langes, gesundes Leben, das viele Menschen nicht ausreichend nutzen oder zu wenig beachten. Evolutionär gesehen war Schlaf schon immer da – man verbringt ein Drittel seiner Zeit damit, sogar in Jäger- und Sammlerkulturen, obwohl man in dieser Zeit theoretisch gefressen werden, verhungern oder andere Gefahren erleben könnte. Und trotzdem hat der Körper immer darauf bestanden zu schlafen. Das zeigt, wie wichtig er ist. Schlaf ist die Basis für die zelluläre Reparaturprozesse im Körper, die nur zu bestimmten Zeiten in der Nacht stattfinden. Das sind meine fünf Tipps.

Dr. Natalia Trpchevska kommt ursprünglich aus der Humanmedizin und hat sich früh auf Genetik spezialisiert. Am renommierten Karolinska-Institut promovierte sie in diesem Bereich und vertiefte dabei ihr Interesse an Prävention und altersbedingten Erkrankungen. Heute widmet sie sich ganz dem Thema Langlebigkeit – unter anderem als medizinische Leiterin bei AYUN. Seit 2023, noch vor der Eröffnung im Sommer 2024, ist sie dort von Beginn an mit dabei und war massgeblich an der Entwicklung des medizinischen Konzepts sowie der wissenschaftlichen Grundlage beteiligt.

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